Wirtschaftsspiegel Thüringen Ausgabe 04/2014 - page 42

Wirtschaft & Politik
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Längst ist die Diskussion um nachhaltiges Wirt-
schaften auch auf die Fachkräftediskussion überge-
schwappt. Dr. Harald Bruhn ist Unternehmer und
Präsident des Metall-Arbeitgeberverbandes VMET.
Im Interview mit dem WIRTSCHAFTSSPIEGEL
spricht er darüber, wie er Nachhaltigkeit vor dem
Hintergrund des demografischen Wandels versteht
und was Unternehmer tun können, um auf diesem
Gebiet weiter voran zu kommen.
Nachhaltigkeit ist Einklang von
Ökonomie, Ökologie und Sozialem
Herr Dr. Bruhn, der Begriff Nachhaltig-
keit wurde vor 300 Jahren geprägt und
stammt ursprünglich aus der Forstwirt-
schaft. Was macht diesen Begriff heute
noch und vor allem für Ihre Branche
wichtig?
Auf den ersten Blick erscheint der Be-
griff sehr sperrig. Etwas greifbarer wird
er dann, wenn wir uns Nachhaltigkeit
als Einklang von Ökonomie, Ökologie
und Sozialem vorstellen. Genau diese
Verbindung ist für unsere Branche wich-
tig: Nachhaltig zu wirtschaften, bedeu-
tet für uns, diese drei Aspekte im Blick
zu haben, um zukunftsorientiert zu han-
deln. Denn die Weltgemeinschaft ver-
braucht zu viel. Das sehen Sie daran,
dass laut Global Footprint Network der
Earth Overshoot Day 2013 am 20. Au-
gust war. Ab diesem Tag lebten wir über
unsere ökologischen Verhältnisse, ver-
brauchten mehr Ressourcen als die Erde
reproduzieren konnte. 1987 lag dieser
Tag noch am 19. Dezember. Es geht da-
rum, ökonomische Interessen mit ökolo-
gischen und sozialen in Einklang zu
bringen. Genau da setzen wir an.
Sie selbst setzen sich vor allem für
Nachhaltigkeit im Hinblick auf die de-
mografische Entwicklung ein. Wo sehen
Sie da die Herausforderungen?
Ja, seit 2005 verfolgt Jena-Optronik eine
demografieorientierte Personalpolitik.
Ergonomisch gestaltete Arbeitsplätze
sind perfekt auf die Bewegungsabläufe
zugeschnitten. Spezielle „55 plus-Schu-
lungen“ zu Software, Sprachen oder
Zeitmanagement bringen auch erfahre-
ne Fachkräfte auf den neuesten Stand.
Damit kein Wissen verloren geht, orga-
nisiert Jena-Optronik Workshops für al-
le Generationen. Wir fördern und for-
dern junge und ältere Mitarbeiter
gleichermaßen. Das wirkt auf jeden Fall
nachhaltig. Schon kleine Veränderun-
gen können bei Mitarbeitern Großes be-
wirken.
Stichwort Wissenstransfer: Sie sind
selbst Unternehmer, wie organisieren
Sie das in Ihrer Firma?
Wie schon erwähnt, sorgen wir für
Austausch zwischen älteren und jünge-
ren Mitarbeitern in verschiedenen For-
maten. Wir stellen sicher, dass Wissen
weitergegeben wird. Bei Teamevents
auch außerhalb der Arbeitszeiten wird
das Miteinander der Generationen noch
vertieft.
Welche ersten Schritte sollten Unter-
nehmen tun, um auf diesem Gebiet wei-
ter voran zu kommen?
Entscheidend ist, zu beginnen. Nach-
haltiges Wirtschaften ist das Modell der
Zukunft. Schnelle und sichtbare Erfolge
lassen sich in den meisten Unterneh-
men beim effizienten Einsatz von Ener-
gie erzielen. Unsere Verbandsunterneh-
men sind meistens nach dem Ener-
giemanagementsystem DIN EN ISO
50001 zertifiziert. In der Metall- und
Elektrobranche gehört es fast selbstver-
ständlich zum alltäglichen Geschäft,
dass Unternehmen zertifizierte Ener-
gie-, Umwelt- und Arbeitsschutzmana-
gementsysteme haben. Bei Jena-Optro-
nik konzentrieren wir uns aufgrund der
Reinraumatmosphäre besonders stark
auf den sozialen Aspekt. Das betrifft das
Wohlergehen unserer Mitarbeiter.
Wo kann man sich als Unternehmer Rat
und Hilfe holen?
In Thüringen gibt es seit 2004 das von
Wirtschaft und Landesregierung ge-
meinsam initiierte Nachhaltigkeitsab-
kommen Thüringen, kurz NAT. Dieses
freiwillige Abkommen feiert dieses Jahr
zehnjähriges Bestehen. Die Geschäfts-
stelle, deren Sitz beim Verband der
Wirtschaft Thüringens (VWT) ist, ist
kompetenter Ansprechpartner und erste
Anlaufstelle für interessierte Unter-
nehmen. Thüringenweit hat das NAT
den Überblick über mehr als 400 nach-
haltig wirtschaftende Unternehmen
verschiedenster Branchen in Thüringen.
Haben Sie im Hinblick auf Nachhaltig-
keit bei der Fachkräfteentwicklung
Wünsche an die Politik?
Da kann ich nur sagen, was früh gesät
wird, blüht später auf: Wir brauchen
wieder mehr ausbildungsreife Auszu-
bildende, die nach einer qualifizierten
Ausbildung attraktive Jobs antreten.
Eine fundierte Schulbildung, die nach-
haltig wirkt und an die angeknüpft wer-
den kann, ist die Basis dafür. Die Jobs
sind da.
.
Dr. Harald Bruhn, Präsident des VMET
.
Interview: tl, Foto: VMET
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