Wirtschaftsspiegel Thüringen Ausgabe 04/2014 - page 44

Arbeitsrecht
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Was wäre, wenn der Zug nicht käme oder die Zeitung montags nicht erschiene, weil Sonntag ist? Ärzte, Journalisten und Zugführer –
sie alle arbeiten sonn- und feiertags. Je nach betrieblicher Vereinbarung werden sie meist mit Freizeit und finanziellen Zuschlägen
entschädigt. Das ist gesellschaftlich akzeptiert.
Genehmigungspraxis
benachteiligt Thüringer Firmen
Dass der Sonntag ein Tag der Ruhe ist, regelt schon das Grundgesetz
in Artikel 140. Sonn- und Feiertage dienen der Erholung. Das soll
auch so bleiben. Ausnahmen bestätigen die Regel: Was in Kran-
kenhäusern oder Redaktionen zum Alltag gehört, ist in Ausnahmen
auch in Firmen nötig: Sonn- und Feiertagsarbeit, befristet und vorü-
bergehend. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, vereinbar-
ten die Arbeits- und Sozialminister eine bundeseinheitliche
Genehmigungspraxis. Die Bundesländer überarbeiteten Kriterien-
kataloge. „Diesem Vorhaben wird der Thüringer Katalog nicht ge-
recht. Die Firmen in Thüringen haben ein Anrecht auf ein ordnungs-
gemäßes Verfahren, wenn sie die Genehmigung von Sonn- und
Feiertagsarbeit beantragen. Dies ist nicht gewährleistet solange sie
ihrem Antrag eine Stellungnahme der Gewerkschaften beifügen
müssen. Mit dieser Verfahrenspraxis missachtet das Thüringer So-
zialministerium eine Empfehlung, an der es selbst mitgearbeitet
hat“, so VWT-Hauptgeschäftsführer Stephan Fauth.
Wer also sonntags arbeiten muss, um Produktionsspitzen abzuarbei-
ten, stellt einen Antrag. „In Thüringen gibt es einen umfangreichen
Kriterienkatalog. Das ist alles erheblich aufwendiger als in Bayern“,
berichtet Michael Landgraf von der Firma WIDIA mit Standorten im
thüringischen Königsee und bayerischen Vohenstrauß. Der Personal-
chef hat den Vergleich: „Wir müssten Lieferzeiten für neue Maschi-
nen für ein dreiviertel Jahr überbrücken. Danach kehren wir wieder
zur Sechs-Tage-Schicht zurück. In Bayern fülle ich ein zweiseitiges
Pdf-Formular aus. Anzugeben sind Daten zum Unternehmen, Anzahl
der vom Antrag betroffenen Mitarbeiter und die betroffene Pro-
duktionsabteilung, eine Begründung des Unternehmens sowie eine
Unterschrift des Betriebsrates als Bestätigung. Ebenso ist eine ent-
sprechende Betriebsvereinbarung beizufügen. Innerhalb von 24
Stunden wird der Antrag bearbeitet. Wenn der Antrag bis Donnerstag
12 Uhr eingereicht wird, haben wir am nachfolgenden Freitag 12 Uhr
eine Antwort und wir können schon am darauffolgenden Sonntag ar-
beiten. Das Ganze ist unbürokratisch und lässt uns flexibel handeln.
In Thüringen sind die Hürden höher und es dauert alles länger“, so
Landgraf.
Feiertagsarbeit sei häufig unverzichtbar und der Wettbewerbsdruck
hoch. Das weiß auch Norbert Anut, Personalleiter der Firma Schuler
Pressen in Erfurt. Er beantragte Feiertagsarbeit, um Aufträge für die
Automobilindustrie mit hochproduktiven Maschinen abzuarbeiten.
„Diese Maschinen sichern Arbeitsplätze für 60 Arbeitnehmer dieser
Abteilung. Zunehmender Wettbewerbsdruck aus dem In- und Aus-
land, anhaltender Preisverfall und extrem gestiegene Preise für
Rohmaterial zwingen uns dazu: Unsere ausländischen Wettbewerber,
die wir meist persönlich besucht haben, arbeiten alle in drei
Schichten und nutzen bei Bedarf auch alle Sonn- und Feiertage“, so
Anut zum Antrag. „Entscheidend ist, dass die Genehmigungspraxis
in den Bundesländern nicht unterschiedlich ist. Das schreckt Inves-
toren ab und wir stehen nun mal im nationalen und internationalen
Wettbewerb“, sagt Harald Bruhn, Geschäftsführer Jena Optronik.
(uz)
Foto: Yantra/fotolia
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