Wirtschaftsspiegel Thüringen Ausgabe 04/2014 - page 36

Wertedebatte
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Seit Jahren verfolgen uns mehr oder minder
schlechte Nachrichten aus dem Finanzsektor. Spä-
testens seit dem Jahr 2008 äugen viele misstrauisch
darauf, was sich dort tut. Banken mussten mit
Steuergeldern gerettet werden, gleichzeitig speku-
lieren Finanzjongleure gegen einzelne Länder und
den Euro als Ganzes. Auch sind Spekulationen auf
Rohstoffe und Nahrungsmittel nach wie vor an der
Tagesordnung. Gleichwohl geht ohne einen funktio-
nierenden Bankensektor in der Wirtschaft gar
nichts. Klaus Euler ist Vorstandsvorsitzender der in
Eisenberg beheimateten EthikBank. Ein Blick in de-
ren Bilanzen zeigt: Es geht auch anders. Im Gast-
beitrag für den WIRTSCHAFTSSPIEGEL hält Euler
ein Plädoyer für verantwortliches Banking.
Ein anderes Bankensystem
ist möglich
Banken sind ein wichtiger Motor für die
Entwicklung einer Gesellschaft. Die Fi-
nanzkrise im Jahr 2008 hat aber gezeigt,
dass viele Banken ihrer Aufgabe zum
Wohl der Gesellschaft kaum noch nach-
kommen: Zu große Einheiten und man-
gelnde Eigenverantwortung haben zu
milliardenschweren Rettungsaktionen
mit öffentlichen Geldern geführt. Immer
wieder werden von den Instituten hohe
Strafzahlungen geleistet und weiter ho-
he Boni gezahlt. Gepaart mit einer oft
intransparenten Anlagepolitik hat dies
die Reputation des Sektors schwer be-
schädigt. Das Ansehen von Banken ran-
giert heute hinter dem von Atomkraft-
werken und der Zigarettenindustrie. Mit
Lippenbekenntnissen ist diese Entwick-
lung nicht zu stoppen.
Notwendig ist ein System-
und Wertewandel.
Dass dies möglich ist, zeigen die
ethisch-sozialen Banken. Sie sind klei-
ne Institute, die ihr Geschäft auf Basis
strikter Wertekanons mit hoher Trans-
parenz und klaren Ausschlusskriterien
bei der Geldanlage betreiben. Speku-
lationsgeschäfte gibt es nicht. Trotzdem
sind Alternativbanken rentabel.
Fluch der Systemrelevanz
Die „systemische Größe“ vieler Banken
ist eine Ursache der Krise. In der Annah-
me, dass der Zusammenbruch einer
Großbank die Volkswirtschaft eines
Landes stärker schädigt, als eine noch
so aufwendige Rettung mit öffentlichen
Geldern, werden als systemrelevant ein-
gestufte Banken faktisch aus der Ver-
antwortung für ihr Handeln entlassen.
Gewinne fließen dem Unternehmen zu,
Verluste werden sozialisiert. Das ist weder gerecht,
noch von gesellschaftlichem Nutzen.
Beherrschen lassen sich die systemischen Risiken des
Finanzsektors durch eine Diversifizierung des Marktes
mit einer Vielzahl kleinerer, weniger komplexer Ban-
ken. Deutschland mit seinen drei Säulen aus Volks-
und Raiffeisenbanken, Sparkassen und
privaten Geschäftsbanken könnte ein
Beispiel sein. Statt jedoch die Vielfalt zu
fördern, werden mittelständische Ban-
ken und Sparkassen wie systemrelevan-
te Großbanken reguliert und mit einem
Wust von Vorschriften überzogen, den
sie kaum noch bewältigen können.
Damit wird einseitig Strukturpolitik zu-
gunsten von Großbanken gemacht. Ein
Kurswechsel ist geboten.
Klares Nein zu
Spekulationsgeschäften
Die Konzentration auf reale Bankge-
schäfte ist ein anderer Baustein bei der
Veränderung des Finanzsystems. Speku-
lationen etwa auf Rohstoffderivate oder
Nahrungsmittel sind für Alternativban-
ken aus sozialer und ökologischer Ver-
antwortung tabu. Aber auch wirtschaft-
lich sind solche bankfernen Geschäfte
inakzeptabel: Verlierer ist wieder die
Gesellschaft, die Spekulationsgewinne
der Finanzindustrie über steigende
Lebensmittelpreise in Entwicklungslän-
dern bezahlt. Ein Verbot des Hochge-
schwindigkeitshandels und die Einfüh-
rung einer Umsatzsteuer auf Börsen-
geschäfte könnten die Attraktivität von
Spekulationsgeschäften mindern. Darü-
ber hinaus müssen Bankgeschäfte weni-
ger komplex und für Verbraucher nach-
vollziehbar sein. Wenn gleichzeitig in
der Gesellschaft mehr Wert auf die Ver-
mittlung von Finanzwissen gelegt wird,
hat der Bankensektor die Chance, ver-
spieltes Vertrauen zurückzugewinnen
und wieder die Rolle auszufüllen, die
ihm zukommt: Der Gesellschaft zu die-
nen und nicht, sich von der Gesellschaft
bedienen zu lassen.
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Klaus Euler, Vorstandsvorsitzender
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EthikBank, Eisenberg
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Foto: Sebastian Buff/EthikBank
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