Wirtschaftsspiegel Thüringen Ausgabe 04/2014 - page 5

Automotive Thüringen
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Auch in diesem Jahr trifft sich
die Automobilzulieferindustrie
wieder zum Branchentag in Er-
furt. Bedeutet der Titel der Ver-
anstaltung „Zurück zu den Wur-
zeln – Auf nach Europa!“, dass
sich Thüringen vom weltweiten
Trend abkoppeln will?
Die Globalisierung lässt sich na-
türlich von Thüringen aus nicht
aufhalten. Dies wird gerade in der
Automobilbranche besonders
deutlich, wenn man die nahezu
wöchentlichen Rekordmeldungen
der deutschen Premiumhersteller
mit Produktionsstandorten im
Ausland verfolgt. In den letzten
Jahren haben sich viele Zulieferer
im Ausland etabliert, wie zum
Beispiel die MITEC Automotive AG
oder die GPM Pumpenbau, Mer-
belsrod, sehr erfolgreich in China
und auch in Amerika. Zudem hat sich auch die Exportquote der
Mitgliedsunternehmen des „automotive thüringen e.V.“ in den letz-
ten Jahren stetig erhöht, wie wir der letzten Jahresumfrage entneh-
men konnten, die wir zum Branchentag noch einmal aktualisiert
haben. Danach hat etwa die Hälfte der Unternehmen Lieferbe-
ziehungen ins Ausland bei einer Exportquote von nahezu 30 Prozent
vom Gesamtumsatz. Dies ist mehr als eine Verdoppelung in den letz-
ten drei Jahren.
Dann nehmen die Thüringer Unternehmen aktiv an der Globa-
lisierung teil?
Hier muss man differenzieren: Von den „großen Thüringer Mittel-
ständlern“ sind nahezu alle international mit Fertigungsanlagen vor
Ort. Zusammen mit den in Thüringen produzierenden Konzernen ha-
ben somit ein Viertel unserer Mitglieder mindestens einen Standort
im Ausland, wo der Kunde OEM produziert. Diese Kunden sind in ers-
ter Linie die großen deutschen Hersteller, nämlich BMW, AUDI, VW
und DAIMLER, und zwar in dieser Reihenfolge, wie unsere Umfrage
ergab.
Das bedeutet aber, dass drei Viertel unserer Mitgliedsunternehmen
ausschließlich im Inland produ-
zieren. Sieht man sich nun die
Auslandsbeziehungen dieser Un-
ternehmen an, so liegt der
Schwerpunkt derzeit ganz eindeu-
tig in West- und Osteuropa. Im
letzten Jahr sind nach den Zahlen
des VDA aber alleine in China von
deutschen Herstellern 3.473.000
Pkw produziert worden. Und die-
ser Markt hat auch die stärkste
Dynamik. Wie man zum Beispiel
von Europa aus an diesem stärks-
ten Wachstum teilhaben kann,
wollen wir mit Fachleuten aus-
führlich diskutieren.
Sie sind ein großer Verfechter
des Kooperationsgedankens. Un-
ternehmen sollen zusammenar-
beiten, um weiter auf demMarkt
bestehen zu können oder um ge-
meinsam neue Märkte zu erobern. Ist das Thema des diesjährigen
Branchentages nicht ein Schritt zurück?
Ganz und gar nicht. Ich bin daher sicher, dass das Thema „Koope-
rationen“ besonders betont werden wird, insbesondere, wenn es um
die Exportfähigkeit beziehungsweise die Fähigkeit vor Ort zu produ-
zieren geht. Wir haben ja auch in Thüringen sehr gute Beispiele, wo
Unternehmen den gesamten Weltmarkt von hier aus bedienen kön-
nen, wenn sie in genügend großen Stückzahlen und soweit wie mög-
lich automatisiert produzieren können. Denn nur wenn diese
Unternehmen die logistischen Anforderungen im Griff haben, kön-
nen sie sich in Qualität, Liefertreue und Preis weltweit behaupten.
Das alles ist eine Frage von Standortkosten, Qualität, Kosten der
Lieferkette, Frachten und Zollbedingungen, denn diese beeinflussen
den Endpreis der Produkte.
Dies wird nur in hohen Stückzahlen funktionieren und mit einer per-
sonellen Unternehmensstruktur, die den Anforderungen im Ausland
mit fremden Sprachen und hoher Flexibilität der kulturellen An-
passung am Auslandsstandort gerecht werden kann. Und hier be-
ginnt die Herausforderung, die sich für jeden Unternehmer in glei-
chem Maße stellt. Wie kann ich expandieren, wie kann ich den
„Zurück zu den Wurzeln –
Auf nach Europa!“
Interview mit Dr.-Ing. Michael Militzer, Vorstandsvorsitzender des automotive thüringen e. V.
Foto: Wirtschaftsspiegel
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