Wirtschaftsspiegel Thüringen Ausgabe 04/2014 - page 7

Automotive Thüringen
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Veränderungen der Globalisierung betroffen sein werden, sehen kei-
nen direkten Bedarf, weil der Nutzen einer solchen Institution für sie
nicht erkannt wird. Ich konnte sowohl die IHK Erfurt, das Wirtschafts-
ministerium als auch Firmen anteilig für eine Finanzierung gewin-
nen, aber es reicht nicht aus. Thüringen als Zulieferland im automo-
bilen Sektor, mit der größten Wirtschaftsleistung im Lande, geht in
den Medien völlig unter. Da hilft auch der gut gemachte Werbefilm
des Landes nicht weiter, denn der Motorhersteller in Kölleda ist nicht
alleine repräsentativ für unsere Zulieferstruktur in Thüringen. „Tue
Gutes und rede darüber“, hierzu brauchen wir einen Repräsentanten
auch in den Medien, ähnlich wie Herr Prof. Dudenhöfer der Uni in
Duisburg, nur wesentlich besser. Zudem brauchen wir eine bessere
Vorbereitung der Studenten in Thüringen auf die „automobile
Praxis“, damit wir sie nach dem Examen auch schnell auf die Spe-
zifika der Branche vorbereitet sehen. Das ThiMo an der Universität
Ilmenau kann diese Aufgabe erkennbar nicht leisten.
Dann bleibt zum Schluss eigentlich nur noch die obligatorische
Frage wenige Wochen vor der Landtagswahl: Was sind Ihre Erwar-
tungen an die Wirtschaftspolitik der kandidierenden Parteien?
Der at Thüringen hat sich seit der Gründung politisch neutral verhal-
ten und dies wird auch so bleiben. Es geht um eine für Thüringer
Unternehmen berechenbare Wirtschaftspolitik, die Sachfragen auch
problemorientiert angeht, eine Politik, die unsere Branche mit den
Herausforderungen der Globalisierung nicht nur versteht, sondern
auch Hilfestellung leistet. Nehmen wir nur drei Beispiele. Wir erwar-
ten nicht, dass das Land Thüringen alleine die viel zu hohen
Energiekosten beeinflussen kann, denn dieses Problem ist bunde-
weit ein enormer Wettbewerbsnachteil – in den USA haben wir nur
30 Prozent der Energiekosten. Wenn es belegbare Tendenzen gibt,
die für unsere Zulieferer notwendige Flexibilisierung des Einsatzes
der Maschinen und Anlagen auch an Wochenenden einzuschränken
oder gar zu untersagen – wenn dies eintreten würde – so bin ich
überzeugt, dass sich Thüringen aus dem Standortwettbewerb heraus
katapultiert und die Firmen ihre Produktion verlagern werden. In
Baden–Württemberg und Bayern hat man dies erkannt und flexible
Regelungen gefunden. Unsere Finanzkraft im Mittelstand reicht
nicht aus, um Einschränkungen der Produktionskapazität durch sol-
che unrealistische Politik mit zusätzlichen Investitionen zu kompen-
sieren. Auch Gewerbesteuersätze in Eisenach – die genau so hoch
sind wie in Stuttgart – machen Thüringen nicht attraktiver. Kurz ge-
fasst: Die Politik muss sich an den Wettbewerbsbedingungen des
Auslands orientieren, denn unsere Kunden tun dies täglich, indem
sie die besten Standortkosten weltweit scannen und darauf basie-
rend ihre Forderungen an uns Zulieferer stellen. Die schleichende
Verlagerung der Automobilindustrie ins Ausland ist evident, nach
China, in die USA, nach Brasilien, Mexiko und in andere Länder. Der
Zuliefermarkt wird in Thüringen, in Deutschland und in Europa pa-
rallel schrumpfen, wenn wir gemeinsam die richtigen Schritte un-
terlassen, als Industrie und in der Politik.
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Zulieferer wie MITEC sind zunehmend auf internationalen Märkten aktiv
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Interview: tl, Foto: Wirtschaftsspiegel
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